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Alles begann mit einem Technologen aus Wien
Der Maschinenbau in Hannover hat eine lange Tradition, die bis in die 30er Jahre des 19. Jahrhunderts zurückreicht. Am Beginn des Studienfachs stand der renommierte Technologe Karl Karmarsch.
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Die Anfänge von 1831 bis 1899: Von der Höheren Gewerbeschule bis zum Dr.-Ing.
Als Höhere Gewerbeschule wurde am 2. Mai 1831 die heutige Leibniz Universität in Hannover gegründet. Der renommierte Wiener Technologe Karl Karmarsch war ihr erster Direktor, der den damaligen Lehrbetrieb mit 64 Schüler in der zweiten Etage des Bornemann’schen Brauhauses in der Marktstraße 60 aufnahm. Ihm verdankt der hannoversche Maschinenbau sowohl als Studienfach wie auch als Fakultät seine Existenz.
Karmarsch war ein Pionier mit Weitblick, der schon damals auf Interdisziplinarität und Vernetzung setzte. Seine Schüler – Frauen waren noch nicht zugelassen – konnten sich ihren Stundenplan selbst zusammenstellen. Noch heute gilt Karmarschs Bestreben, selbstständig und ganzheitlich denkende Ingenieur*innen auszubilden, als Leitbild für die Lehre im Maschinenbau.
Mit dem Beginn des Eisenbahnausbaus und der industriellen Entwicklung stieg ab 1842 der Bedarf an qualifizierten Techniker*innen rasant, was dazu führte, dass der Berufsstand des Ingenieurs ins Leben gerufen wurde. 1847 wurde die Höhere Gewerbeschule in Polytechnische Hochschule umbenannt, 1879 erhielt sie dann die Bezeichnung Königliche Technische Hochschule. Das Maschinenbauingenieurwesen war eine von vier Abteilungen, in der 1881 vier Professoren, zwei Privatdozenten und zwei Assistenten unterrichteten. Die Zahl der Studierenden war auf über 600 angestiegen.
In den 1890er Jahren expandierten Industrie und Technik rasch, und die Königliche Technische Hochschule musste auf die Veränderungen mit der Anpassung, Ausweitung und Spezialisierung des Lehrangebots reagieren. Labore wurden eingerichtet, um die Bedingungen der betrieblichen Praxis experimentell zu erproben. Bereits 1884 entstand ein technologisches Laboratorium zur Untersuchung von Faserstoffen, 1896 folgte die Fertigstellung eines Maschinenbau-Ingenieur-Laboratoriums. Im Jahre 1899 wurden die Technischen Hochschulen den Universitäten gleichgestellt, und fortan durfte in Hannover der akademische Grad des Diploms (Dipl.-Ing.) und der akademische Titel des Doktors (Dr.-Ing.) verliehen werden.
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Die Jahre 1900 bis 1959: Ausbau, Aufbau und die erste Saalgemeinschaft
Um die Jahrhundertwende erforderte die stetig wachsende inhaltliche Vielfalt der Maschinenbaufächer mehrere Professoren und eine stärkere Teilung der Themengebiete. 1903 wurden vier Fachrichtungen eingeführt, in denen sich Studierende frühzeitig spezialisieren konnten: Maschineningenieur, Verkehrsmaschinenbauingenieur, Laboratoriumsingenieur und Verwaltungsingenieur. 1908 räumte Preußen, wozu Hannover gehörte, Frauen das Recht ein, ein Studium aufzunehmen. Eine der ersten Studentinnen und zugleich erfolgreiche Wegbereiterin für Frauen im Maschinenbau war Ilse ter Meer.
Ilse ter Meer (1899–1996) studierte von 1919 bis 1922 an der Technischen Hochschule Hannover Maschinenbau, ihr Diplom machte sie 1924 an der Technischen Hochschule München. Als Ilse ter Meer damals den Studiensaal betrat, sah sie sich als einzige Frau unter 1000 Studierenden, von denen mindestens die Hälfte gegen das Frauenstudium war. 1925 wurde Ilse ter Meer erstes weibliches Mitglied im Verein Deutscher Ingenieure (VDI). 1930 organisierte sie das erste Treffen deutscher Ingenieurinnen auf der Weltkonferenz in Berlin. Bis ins hohe Alter von über 90 Jahren las sie noch Publikationen zur Elektrotechnik und Elektronik und hielt sich fachlich auf dem neuesten Stand.
Während des Ersten Weltkriegs wurde der Lehrbetrieb nur in den wichtigsten Fächern aufrechterhalten, da viele Lehrkräfte im Krieg waren oder für die Kriegsindustrie arbeiten mussten. Nach Kriegsende kam es zu einem großen Andrang im Fach Maschineningenieurwesen – im Wintersemester 1920/21 waren 1203 Studierende für das Fach eingeschrieben (im Vergleich: 1913 waren es nur 271 Studierende). 1922 fand eine Neugliederung der Technischen Hochschule statt, und der Maschinenbau wurde mit der Elektrotechnik in der Fakultät für Maschinenwesen (und Elektrotechnik) zusammengefasst. 1933 waren 18 Dozenten und 38 Assistenten neben nicht vollbeschäftigten Studienassistenten in der Fachrichtung Maschinenbau beschäftigt. Die Zahl der Studierenden betrug 620.
Die starke Zerstörung Hannovers durch den Zweiten Weltkrieg ging auch an der Hochschule nicht vorbei. Die Wiederaufnahme von Forschung und Lehre fand 1946 unter schwierigen Voraussetzungen statt. Sowohl an Lehrpersonal wie auch an Räumlichkeiten mangelte es. Beispielsweise waren das Institut für Werkstoffkunde und das Institut für Werkzeugmaschinen nur noch zu 25 Prozent nutzbar. Der Wiederaufbau der Universität erfolgte durch Spenden, insbesondere von Stiftern des Fördervereins, und durch die Aufbauarbeiten der Studierenden. Aufbauarbeiten wurden zur Pflicht für jeden Studierwilligen. Bevor man ein Studium beginnen durfte, mussten erst 600, später sogar 1.000 Aufbaustunden geleistet werden. Nach Abschluss des Wiederaufbaus Ende der 50er Jahre herrschte jedoch weiterhin Raumnot.
Der Bedarf an technischen Erzeugnissen nach dem Zweiten Weltkrieg stieg rasch an, und die große Wachstumsrate und Hochkonjunktur der Wirtschaft bedingte eine erhebliche Ausdehnung und Vertiefung des Studiums. Das Lehrangebot wurde vergrößert und differenzierter. In gleichem Maße wurde die Forschung erweitert. Die Anzahl an Planstellen stieg von zwölf Ende der 50er Jahre auf 29 Anfang der 80er Jahre an.
1955 kam es zur Gründung der ersten von Studierenden selbstverwalteten Saalgemeinschaft. Sie trug den Namen Düse und bot Studierenden die Möglichkeit, auch außerhalb der Institutsbürozeiten gemeinsam zu lernen. Damals war sie im alten Kasernengebäude in der Appelstraße ansässig.
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Die Jahre 1960 bis 1999: Umstrukturierung, Umbenennung und das Otto-Klüsener-Haus
Der Erfolg der Düse und die starke Nachfrage der Studierenden bewog Professor Walter Otto Klüsener, den damaligen Leiter des Instituts für Kolbenmaschinen, dazu, sich für ein Zeichensaalgebäude für Studierende der konstruktiven Fächer einzusetzen. Studierende der höheren Semester sollten an eigenen Plätzen zeichnen und konstruieren können.
1961 begann die konkrete Planung des Gebäudes, und vier Jahre später wurde es mit 392 Arbeitsplätzen bezugsfertig. Noch heute beherbergt das 1969 nach seinem Initiator benannte Otto-Klüsener-Haus vier Saalgemeinschaften und zudem die Geschäftsführung der Fakultät für Maschinenbau.
1968 begann mit dem Sonderforschungsbereich (SFB) 61 „Strömungsprobleme in der Energieumwandlung“ eine erfolgreiche Serie von Sonderforschungsbereichen im Maschinenbau. Initiator und Leiter des SFB 61 war Professor Karl Bammert vom Institut für Strömungsmaschinen. Neben dem Institut für Strömungsmaschinen waren vom Maschinenbau noch die Mechanik, die Thermodynamik, die Verfahrenstechnik, die Wärmetechnik und die Kerntechnik am SFB 61 beteiligt.
Zwischen 1968 und 1999 erfolgten zahlreiche Umstrukturierungen der Fachbereiche und Fakultäten sowie die Umbenennung der Technischen Hochschule in Technische Universität. 1978 erhielt die Technische Universität die Bezeichnung Universität Hannover.
Im Jahre 1969 wurde das Institutsgebäude des Maschinenbaus in der Appelstraße bezogen. Die 70er Jahre waren jedoch immer noch von gravierendem Raummangel geprägt. Die Institute mussten sich mit Provisorien arrangieren, und so forschte man u. a. in den Kellerräumen des denkmalgeschützten Marstallgebäudes oder im Pferdestall in der Appelstraße. Zu diesen ungünstigen Lehr-, Lern- und Forschungsbedingungen trat hinzu, dass die Maschinenbauinstitute zerstreut in verschiedenen Stadtteilen untergebracht waren, was eine fachliche Zusammenarbeit nicht vereinfachte.
Um den schnellen Transfer neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse in die Praxis zu fördern, wurde 1986 das An-Institut Laser Zentrum Hannover e. V. und 1989 das Institut für integrierte Produktion gGmbH (IPH) gegründet. Mitte der 90er Jahre bekam der Fachbereich Maschinenbau verstärkt die Sparauflagen des Ministeriums für Wissenschaft und Kultur zu spüren und musste infolgedessen harte Einschnitte in seine Planstellenausstattung verkraften. Trotz Kompensierungsmaßnahmen durch strukturelle Anpassungen im Organisationsgefüge kam es zur Schließung einzelner Institute. 1998 musste das Institut für Kraftfahrzeugtechnik und 1999 das Institut für Schienenfahrzeuge den Betrieb einstellen.
Neben den Schließungen gab es aber auch neue Perspektiven. Am Außenstandort Garbsen nahm 1997 das sogenannte Unterwassertechnikum der Universität Hannover (UWTH) seinen Betrieb auf. Als Teilbereich des Instituts für Werkstoffkunde gehört es zum Maschinenbau. Das UWTH erforscht u. a. Schneid-, Schweiß- und Handhabungstechniken für den Unterwassereinsatz. Des Weiteren konkretisierte sich 1999 die Vision vom Produktionstechnischen Zentrum Hannover (PZH) in Garbsen, wozu bereits in den 80er Jahren unter Professor Hans Kurt Tönshoff erste Ideen entstanden waren.
Ferner entstanden seit 1995 wichtige Kooperationen, beispielsweise gemeinsam mit der Fakultät für Elektrotechnik und Informatik sowie der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät angebotene neue interdisziplinäre Studiengänge (Mechatronik, Wirtschaftsingenieur*in). In der Forschung wurden inneruniversitäre Kooperationen intensiviert und gleichzeitig die Zusammenarbeit mit Partner*innen, anderen Hochschulen und außeruniversitärer Einrichtungen vertieft. Im Zuge der Bologna-Reform seit 1999 richtete der Maschinenbau entsprechende Bachelor- und Masterstudiengänge ein. Für den seit 1874 verliehenen Grad des Diploms bedeutet diese Reform ein langsames Ausscheiden aus dem Universitätsbetrieb. Im Maschinenbau ist das Diplom am 30. September 2018 endgültig ausgelaufen.
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Von 2000 bis 2015: Neue Zentren, Spitzenforschung und Vernetzung
Im April 2000 wurde das Mechatronik-Zentrum Hannover (MZH) offiziell eröffnet. Zu diesem Zeitpunkt waren im MZH fünf Institute zusammengeschlossen, die Grundlagenforschung zu Antriebssystemen, Magnetführungen und zu den mechatronischen Systemwissenschaften betrieben. 2009 wurde das MZH in ein interdisziplinäres Leibniz-Forschungszentrum überführt, dessen Träger die Fakultät für Maschinenbau und die Fakultät für Elektrotechnik und Informatik sind. Aktuelle Forschungsprojekte liegen in der Medizin- in der Produktionstechnik.
Die bereits im 20. Jahrhundert begonnenen Umstrukturierungen setzen sich im neuen Jahrtausend fort. 2000 wurde der sogenannte Innovationspakt geschlossen und zu Jahresbeginn 2001 die Umwandlung der Universität Hannover in einen Landesbetrieb vollzogen. 2002 wurde das Niedersächsische Hochschulgesetz (NHG) erlassen, das die Weichen für mehr Wettbewerb und Autonomie der Hochschulen stellte. Hochschulrankings gewannen zunehmend an Bedeutung. Niedersachsen war hinsichtlich der Evaluierung von Forschung und Lehre Vorreiter unter den Bundesländern. In aktuellen CHE-Rankings nimmt die Fakultät für Maschinenbau Spitzenplätze in der Forschung ein.
Im April 2004 wurde das Produktionstechnische Zentrum Hannover (PZH) in Garbsen eröffnet, in dem heute acht Institute des Maschinenbaus untergebracht sind. Die hochwertige und moderne Ausstattung des PZH bietet ideale Bedingungen, um Spitzenforschung von internationalem Rang zu betreiben. Als offenes Zentrum ist das PZH zudem für die Zusammenarbeit mit Partner*innen aus der Wirtschaft angelegt.
2005 wurde der Fachbereich Maschinenbau in Fakultät für Maschinenbau umbenannt. Ende des gleichen Jahres startete der Bund seine Exzellenzinitiative. Staatliche Ressourcen für die Hochschulen wurden begrenzt. Um weiterhin hochwertige, praxisnahe Lehre und Forschung betreiben zu können, kam der Akquisition von Drittmitteln und Kooperationspartnern aus Industrie und Wirtschaft eine immer größere Bedeutung zu. Heute ist die Fakultät für Maschinenbau die drittmittelstärkste Fakultät der Universität Hannover, die 2006 nach dem Universalgelehrten in Gottfried Wilhelm Leibniz Universität umbenannt wurde.
Im Oktober 2013 gründete die Informatikerin Prof. Dr.-Ing. Jessica Burgner-Kahrs vom MZH die Emmy-Noether-Nachwuchsgruppe CROSS. CROSS steht für Continuum Robots for Surgical Systems. Die Wissenschaftler*innen des CROSS-Projekts forschen zu einer speziellen Kategorie von Kontinuumsrobotern: die Concentric Tube Continuum Robots (CTCR). Hierbei handelt es sich um gelenklose Kontinuumsroboter, die ähnlich wie ein Elefantenrüssel sehr wendig und nachgiebig sind. Im Gegensatz zum Elefantenrüssel sind diese Roboter allerdings weniger als 2,5 Millimeter groß, sodass sie in der Medizin beispielsweise in der Mikrochirurgie oder für minimalinvasive Eingriffe am Gehirn geeignet sind. Von 2015 bis 2019 existierte die Emmy-Noether-Nachwuchsgruppe CROSS als Lehrstuhl für Kontinuumsrobotik an der Fakultät für Maschinenbau.
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Ab 2015 bis Heute: Der Campus Maschinenbau in Garbsen
Gegenüber vom 2004 eröffneten PZH in Garbsen haben am 4. Dezember 2015 offiziell die Bauarbeiten für den neuen Campus Maschinenbau (CMG) begonnen, der seit 2019 das gesamte Potenzial der Fakultät für Maschinenbau an einem Platz bündelt. Für rund 4.500 Studierende, Wissenschaftler*innen eröffneen sich durch den Campus Maschinenbau neue Möglichkeiten der Kooperation in Forschung und Lehre. Kurze Wege und eine direkte Kommunikation erleichtern den Transfer von Ideen und Informationen.
Das PZH ist konzeptionell in den Gesamtkomplex mit eingebunden, der mit sieben neuen Gebäuden aufwartet: drei Institutsbauten, ein Forschungsbau Dynamik und Energiewandlung (DEW), ein Hörsaalgebäude, eine Mensa, ein Seminar- und Kommunikationsgebäude mit Arbeitssälen (SEKOM) für die Studierenden sowie ein Technikhaus. Rund 20.750 Quadratmeter Hauptnutzfläche sind neu realisiert worden. Der Campus Maschinenbau bietet durch seine moderne Ausstattung und eine enge Anbindung an die Industrie ideale Bedingungen für neue Perspektiven.